Wie kann die urbane Verkehrswende gemeistert werden?
Vergleichende europäische Bewertung innovativer und nachhaltiger Mobilitätslösungen
Das Horizont-2020-Projekt MEISTER, das von 2018 bis 2021 umgesetzt wurde, umfasste die Erprobung sieben neuer Anwendungsfälle zur Förderung der nachhaltigen Mobilität in den drei Pilotstädten Málaga, Berlin und Stockholm.
Das IKEM führte im Rahmen des Projekts eine umfassende Wirkungsanalyse durch. Das Ziel der Wirkungsanalyse bestand darin, die Auswirkungen dieser sieben Anwendungsfälle auf die Wirtschaft, Klima und Umwelt, die Gesellschaft sowie auf das Energie- und Verkehrssystem zu ermitteln. Die Durchführung der Wirkungsanalyse erfolgte in Abstimmung mit dem CIVITAS-ELEVATE-Programm sowie dessen Leitfaden zur Umsetzung von Wirkungsnalysen in EU-Projekten im Verkehrsbereich. Die Methodologie der Wirkungsanalyse umfasste eine Indikatorenanalyse auf Stadt- und Pilotstandortebene, die Durchführung von Business-As-Usual-Prognosen, die Analyse von Vergleichsstandorten sowie Befragungen von Endnutzer:innen und den Leiter:innen der Pilotstandorte.
Auf dieser Website (die auch als Poster verfügbar ist) werden die wichtigsten Ergebnisse der Folgenabschätzung für jeden Anwendungsfall vorgestellt. Eine umfassende Darstellung der Ergebnisse ist auf der MEISTER-Website zu finden. Die eher qualitativen Ergebnisse der sozialen Auswirkungen der Anwendungsfälle werden hier ebenfalls ausführlicher dargestellt.
Berlin
Die Erprobung des Anwendungsfalls „E-Carsharing als Wohndienstleistung“ (ECHS) hat deutlich gezeigt, dass das Konzept die jährlichen Mobilitätskosten von Mieter*innen bei einer Fahrleistung von bis zu 4.000 km pro Jahr im Vergleich zu einem Referenzszenario, bei dem die Mobilitätsbedürfnisse primär durch private Pkw mit Verbrennungsmotor gedeckt werden, deutlich reduzieren kann. Dieser relative Vorteil dürfte in Zukunft noch zunehmen, da verschiedene, für das Referenzszenario relevante Kostenfaktoren – wie etwa die Mietkosten für Parkplätze – in den kommenden Jahren steigen werden.
Jährliche Mobilitätskosten für Mieter
Der Anwendungsfall „Intelligentes Parken und Laden“ in Berlin hat das Potenzial von Reservierungsladesystemen nachgewiesen. Diese Systeme können die Verweildauer von bereits voll geladenen Elektrofahrzeugen an öffentlichen Ladepunkten (Übergangsdauer) zu verkürzen. Obwohl die öffentliche Ladelandschaft während des Demonstrationszeitraums durch eine Reihe von außerordentlichen Ereignissen verzerrt wurde, wurde das Potenzial durch Kontrollstandortanalysen und Business-as-usual-Prognosen verifiziert. Angesichts der stetig steigenden Zahl neu zugelassener Elektrofahrzeuge dürften die Erkenntnisse dieses Business Case in Zukunft noch relevanter werden.
Mittelwert der Übergangsdauer pro Ladevorgang
Málaga
Der Anwendungsfall “Intelligentes Parken und Laden“ in Málaga hat nachgewiesen, dass der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr durch die Minimierung des Parksuchverkehrs nach öffentlichen Ladepunkten reduziert werden kann. Der zunehmende Hochlauf von E-Fahrzeugen in Spanien hat zur Folge, dass die Gesamtfahrleistung dieses Verkehrs in den kommenden Jahren erheblich ansteigen wird, wenn das Netz öffentlicher Ladepunkte nicht ausreichend ausgebaut wird. Um das Potenzial dieses Anwendungsfalls voll ausschöpfen zu können, müssen intelligente Park- und Ladelösungen jedoch von einer großen Anzahl von Nutzer:innen öffentlicher Ladepunkte regelmäßig genutzt werden.
Reduzierung der CO 2 -Emissionen durch Minimierung des Suchverkehrs nach Ladepunkten
Der Anwendungsfall „E-Logistik zur Ermöglichung emissionsarmer Knotenpunkte“ hat das Potenzial unterstrichen, die CO2-Emissionen vom Lieferverkehr auf der letzten Meile pro 100 km Fahrstrecke zu minimieren. Dies Minderung kann dadurch erzielt werden, dass Fahrten, die von leichten Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren durchgeführt werden, durch Cargo-E-Bikes und kleine Elektrotraktoren erledigt werden. Dieses Potenzial – das aufgrund der steigenden Nachfrage im Onlinehandel noch zunehmen dürfte – kann jedoch nur dann in einem signifikanten Umfang ausgeschöpft werden, wenn diese E-Fahrzeuge den Großteil der jährlichen Gesamtfahrleistung der Logistikflotten ausmachen.
Gesamtmenge der CO2-Emissionen pro 100 km, die von E-Fahrzeugen (ICEVs) für die letzte Meile gefahren werden
Die Erprobung von „E-Carsharing im städtischen Fuhrpark“ zeigte das Potenzial des Anwendungsfalls, die CO2-Emissionen der Angestellten resultierend aus deren Nutzung privater PKW zu senken, wenn diese ihre Mobilitätsbedürfnisse vermehrt mit einem E-Carsharing-Pkw anstelle eines privaten Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor decken. Um dieses Potenzial zukünftig voll ausschöpfen zu können, muss das E-Carsharing-Angebot jedoch sehr viel intensiver genutzt werden.
Gesamtmenge der CO2-Emissionen der privaten Fahrzeugnutzung der am Pilotprojekt teilnehmenden Mitarbeiter der Stadtverwaltung
Stockholm
Der Anwendungsfall “Intelligentes Laden“ hat das Potenzial von Maßnahmen des gesteuerten Ladens aufgezeigt. Gesteuertes Laden kann die maximale gleichzeitige Ladeleistung von Ladevorgängen an öffentlichen Ladepunkten auf der Netzanschlussebene reduzieren und damit zur Senkung der Betriebskosten von Ladestationen beitragen. Dieses Potenzial ist umso größer, je mehr Ladevorgänge auf einer Netzebene gleichzeitig gesteuert werden, und wird in naher Zukunft wahrscheinlich steigen, da aufgrund des Markthochlaufs von E-Fahrzeugen mehr Ladevorgänge parallel durchgeführt werden.
Relative Anzahl der registrierten E-Fahrzeuge in der Flotte der häuslichen Pflegedienste
Die Pilotierung „Bereitstellung von häuslichen Pflegediensten mit E-Fahrzeugen“ in Stockholm hat gezeigt, dass der Anwendungsfall die relative Anzahl der E-Fahrzeuge im kommunalen Fuhrpark beträchtlich erhöhen kann, auch durch die Elektrifizierung von Fahrzeugen, die in drei Schichten pro Tag mit einer hohen täglichen Fahrleistung eingesetzt werden. Der Anwendungsfall kann somit langfristig die Nachfrage nach E-Fahrzeugen in der Kommune steigern und lässt sich problemlos auf andere Organisationen übertragen.
Relative Anzahl registrierter Elektrofahrzeuge in der Flotte häuslichenr Pflegedienste
Quellen
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Dieses Projekt wurde im Rahmen des Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms der Europäischen Union auf Basis der Fördervereinbarung Nr. 769052 finanziert.