Tödlicher Tesla-Unfall: Irrtümer und Rechtsfolgen

Die amerikanische Firma Tesla forscht und testet verstärkt die Anwendbarkeit autonomen Fahrens. Ende Mai 2016 kam es nun zum ersten tödlichen Unfall eines Tesla S Modells. In einer Stellungnahme widmet sich das IKEM den drängenden Rechtsfragen, die sich angesichts dieses tragischen Ereignisses in Bezug auf diese Technologie stellen.

Das autonome Fahren ist eine der großen Zukunftstechnologien im Automobilbereich. Die amerikanische Firma Tesla forscht und testet verstärkt die Anwendbarkeit der selbstfahrenden Systeme. Zwar handelt es sich hier strenggenommen noch um teilautonome Fahrzeuge, bei denen der Fahrer zur ständigen Überwachung von Verkehr und System berufen ist. In der Praxis lassen sich die Fahrer jedoch offenbar leicht verleiten, den Fahrzeugen zumindest auf Teilstrecken das autonome Fahren zuzutrauen. Ende Mai 2016 kam es nun zum ersten tödlichen Unfall eines Tesla S Modells bei Benutzung des entwickelten Autopilot-Modus. Das Zusammenspiel von Technik und Mensch sowie der Gegensatz von Technikentwicklung und Schutzpflicht des Staates eröffnen Räume für die Klärung drängender Rechtsfragen.

An einer Kreuzung in Florida stieß das Tesla-Fahrzeug bei einer Testfahrt des Autopilot-Systems bei hoher Geschwindigkeit mit einem abbiegenden Lastwagen zusammen. Die amerikanische Verkehrsaufsichtsbehörde NHTSA untersucht nun, ob ein technischer Fehler des selbstfahrenden Modus zu dem Unfall führte. Die Tesla-Fahrzeuge des S Modells sind mit zwölf Ultraschallsensoren am Fahrzeugboden, einer Kamera im Rückspiegel und einem Radarsystem an der Autofront ausgestattet, das einen 360-Grad Überblick über das Umfeld des Fahrzeugs gewährleisten soll. Die Mechanismen sind miteinander verbunden und sorgen so für Absicherung, falls ein technisches Teilsystem ausfallen sollte.

Nichtsdestotrotz kam es zu dem tödlichen Unfall und Erklärungen müssen gefunden werden. In einer offiziellen Stellungname von Tesla hieß es: „Bei diesem Unfall führte die hohe weiße Seitenwand des Anhängers zusammen mit einer Radar-Signatur, die der eines hochhängenden Straßenschilds sehr ähnlich war, dazu, dass keine automatische Bremsung ausgelöst wurde“. Die von der Firma MobilEye hergestellte Technik des Autopiloten ist noch nicht in der Lage, die Vorgänge seitlich von Fahrzeugen richtig wahrzunehmen und dementsprechend mit dem Bremsen des Autos zu reagieren. Diese Technik soll voraussichtlich 2018 so weit entwickelt sein, dass sie sowohl diese Bewegungen richtig einschätzen als auch mögliche Hindernisse nach ihrer tatsächlichen Kollisionsgefahr bewerten kann. Trotz des Wissens um den Testmodus des Autopiloten, den Hinweisen von Tesla, die Hände zu keinem Zeitpunkt vom Lenkrad zu nehmen und strikten Sicherungsvorkehrungen im System selbst, ist das Vertrauen in den selbstfahrenden Modus groß. Doch ein Autopilot allein macht aus einem Fahrzeug noch kein autonomes Fortbewegungsmittel.

Neben der semantischen Verwirrung ergeben sich folglich auch Probleme für die künftige Gestaltung des Rechtsrahmens für halb-autonomes und autonomes Fahren im Straßenverkehr. Zentral ist auch hier die Unterscheidung von automatisiertem und autonomem Fahren. In einem hochautomatisierten Fahrzeug übernimmt das System zwar die Quer- und Längsführung, der Fahrer muss trotzdem jederzeit bereit sein, die Steuerung des Fahrzeugs wieder zu übernehmen. In einem teilautomatisierten Fahrzeug, wie dem von Tesla, muss der Fahrer System und Verkehr sogar ständig überwachen. Diese Technik ist trotz ihres „Beta“- Status auch in der EU zugelassen nachdem die zuständige niederländische Behörde ihren Gebrauch genehmigte. Obwohl das deutsche Kraftfahrt Bundesamts (KBA) erklärte, dass es das System im jetztigen Stand nicht zugelassen hätte, kann der Autopilot von Tesla dadruch auch auf deutschen Straßen verwendet werden. Da sich relevante Normen sowohl im Zulassungsrecht wie auch im Straßenverkehrsrecht finden, wird es in der Ausarbeitung auch auf die Kooperation zwischen den zuständigen Behörden und die Umsetzung der europäischen ECE-Regelungen ankommen. Während ECE-Regelungen bisher nur automatische Lenkfunktionen bis 12 km/h und eine manuelle Aktivierung des Fahrtrichtungsanzeigers in Testfahrten vorsehen, könnten sowohl die Geschwindigkeit – beispielsweise auf 130 km/h – wie auch die Automatisierung der Manövriermanöver zunehmen.

Doch wie sind die durchaus gefährlichen Testfahrten mit den gesetzlichen Regelungen vereinbar? Zumindest das KBA hält „Autopiloten“ wie das System von Tesla offenbar derzeit nicht für genehmigungsfähig. Bleibt die Straßenverkehrsordnung anwendbar, wenn in naher oder ferner Zukunft kein Mensch mehr hinter dem Steuer sitzt? Muss letztlich alles Verhaltensrecht, das bisher durch das Straßenverkehrsrecht geregelt wurde, bereits in der Zulassung antizipiert werden? Wie weit muss ein autonomes Fahrzeug wirklich jede Situation genauso handhaben, wie ein Fahrer? Kann es akzeptiert werden, dass bereits teilautomatisierte Fahrzeuge wie autonome Systeme behandelt werden? Müssen nicht bereits jetzt rechtliche Lösungen für Problemstellungen gesucht werden, von denen man bisher angenommen hat, dass Sie sich erst in Bezug auf hochautomatisierte und autonome Fahrzeuge stellen? Die Frage nach der Zukunft des automatisierten und autonomen Fahrens ist nicht nur eine der ethischen Verantwortung sondern auch der rechtlichen Rahmensetzung. Für zukünftige Rechtsicherheit und einer bewussten Gestaltung des technischen Fortschritts ohne erhebliche Rechtslücken oder gar mangelnden Grundrechtsschutz der Verkehrsteilnehmer muss eine fachliche Diskussion aufgenommen werden, die in der Rechtswissenschaft bisher noch kaum stattfindet.

 

Ansprechpartner:
Matthias Hartwig , Bereichsleiter Mobilität (IKEM)
Magazinstraße 15-16 , D-10179 Berlin
Tel. + 49 (0) 30- 408 18 7016
matthias.hartwig@ikem.de

Hannes Doderer , Wissenschaftlicher Referent (IKEM)
Magazinstraße 15-16 , D-10179 Berlin
Tel. + 49 (0) 30- 408 18 7016
hannes.doderer@ikem.de
Stellungnahme als PDF: Link

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