Strompreisgrenze zwischen Deutschland und Österreich

Die Bundesnetzagentur hat Anfang November 2016 die Einführung einer Strompreisgrenze zu Österreich beantragt. Da das südliche Nachbarland bisher stark  von günstigem deutschen Strom profitierte, regt sich nun Widerstand, der zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führen könnte.

kops-lake-1610739_1920Durch den Ausbau von EE-Erzeugungsanlagen im Rahmen der Energiewende und den parallelen Weiterbetrieb konventioneller Kraftwerke treten im Strommarkt Deutschlands immer häufiger witterungsbedingte Überkapazitäten auf, die zu steigenden Exporten in die Nachbarländer beitragen: 2015 betrugen die Stromexporte 50,1 Terrawattstunden, also rund acht Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung. Die Masse der gehandelten Strommengen führt zu Netzengpässen, insbesondere in Tschechien und Polen. Die beiden Staaten agieren dabei vornehmlich als Transitländer für norddeutschen Windstrom auf dem Weg nach Österreich, wo mit der überschüssigen und preiswerten Energie unter anderem Pumpspeicherkraftwerke betrieben werden. Diese beliefern wiederum österreichische und bayerische Endkunden – ein direkter Transport wird derzeit durch fehlende Nord-Süd-Übertragungskapazitäten in Deutschland begrenzt
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Zur Gewährleistung der Netzstabilität haben Polen und Tschechien inzwischen an den Grenzen jeweils Phasenschieber installiert, welche die übertragenen Strommengen begrenzen. Dadurch können langfristige Windstrom-Lieferverträge zwischen Deutschland und Österreich effektiv nicht mehr erfüllt werden, da die Strommengen nicht übertragen werden können. Die Folge ist, dass die Windkraftanlagen in Norddeutschland abgeregelt werden und die Stromlieferungen durch konventionelle Kraftwerke, zum Beispiel in Bayern, erfolgen (Redispatch). Zunehmend wird der Energiewende daher auch der daraus resultierende Kostenanstieg im Strombereich zu geschrieben.

Als Gegenmaßnahme plant die Bundesnetzagentur im Auftrag der Bundesregierung die Installation eines Systems zur Begrenzung des grenzüberschreitenden Stromhandels zwischen Deutschland und Österreich. Durch ein sogenanntes Engpassmanagement sollen ab spätestens Mitte 2018 die Handelsmengen auf die tatsächlichen Übertragungskapazitäten beschränkt werden. Dieser Schritt soll dazu führten, dass in Deutschland Eingriffe in die Fahrweise von Kraftwerken sowie Kosten für Netzentgelte vermieden werden, bedeutet aber auch, dass der seit 2004 bestehende deutsch-österreichische Strommarkt aufgeteilt wird. Die Einführung der Strompreisgrenze wurde am 18. November 2016 von der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) genehmigt
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Von Seiten Österreichs wird diese einseitige Markttrennung, unter anderem auf Grund potentiell steigender Stromkosten und Bedenken bezüglich der Versorgungssicherheit, massiv kritisiert. Es handle sich außerdem um einen Rückschritt gegenüber dem bisher verfolgten Ziel eines integrierten europäischen Strommarktes. Noch vor der endgültigen Entscheidung über die neue Strompreisgrenze haben verschiedene österreichische Verbände und Unternehmen (darunter die Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, EXAA Energy Exchange Austria und der Stromversorger Verbund) mit Klagen gegen die ACER gedroht. Auf Basis eines Rechtsgutachtens der Kanzlei Clifford Chance argumentieren sie, dass die Agentur nicht die Kompetenz zur Errichtung von Strompreisgrenzen besitzt. Dies müsste im Zuge eines „Bidding Zone Review Prozesses“ gemäß Art. 32, 33 der Verordnung (EU) 2015/1222 durch die europäischen Übertragungsnetzbetreiber sowie Mitgliedstaaten erfolgen
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Ungeachtet der noch nicht erfolgten Klage und der späteren Gerichtsentscheidung wird diese Rechtsfrage eine große Bedeutung für den weiteren Weg der europäischen Integration im Energiebereich und das Zusammenspiel nationaler Energiepolitiken haben. Das IKEM spricht sich grundsätzlich dafür aus, die europäische Strommarkintegration weiterzuverfolgen und die hierfür notwendigen Übertragungsnetzkapazitäten schnellstmöglich bereitzustellen. Der Schritt der Bundesnetzagentur zielt allerdings auch darauf ab, Stromkosten in Deutschland möglichst gering zu halten und so die öffentliche Akzeptanz für die Energiewende zu sichern. Die Lösung über die Strompreisgrenze setzt jedoch nicht an der Wurzel des Problems an: Ursache des Überangebots an Strom im deutschen Netz ist die massive Verstromung von Braunkohle. Aus diesem Grund sind die Netze nicht ausreichend in der Lage, die steigende Menge an Erneuerbarem Strom aufzunehmen. Hier muss angesetzt werden und die Verstromung von Braunkohle erheblich gedrosselt oder ganz eingestellt werden. So sinkt die Menge des Stroms, die das Netz aufnehmen muss und eine Strompreisgrenze zu Österreich wäre obsolet. Die Einführung der Strompreisgrenze hingegen mindert die Anreize, den Kern des Problems – die fossile Stromerzeugung – anzugehen. Eine Separierung der Märkte bremst die Energiewende und ist daher nicht sinnvoll, solange die Kapazitätsprobleme anders bewältigt werden können und sollten. Des Weiteren muss der Netzausbau in Deutschland vorangebracht werden, um zu gewährleisten, dass der Strom aus dem Norden Deutschland in den Süden transportiert werden kann.

 

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Dr. Simon Schäfer-StradowskyQuelle: IKEM/Jule Halsinger

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