Debatte

Solarpflicht für Neu- und Bestandsbauten – Sinnvolles Instrument für die Energiewende?“

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Immer mehr Kommunen und Bundesländer schreiben eine Solarpflicht, also den verpflichtenden Einbau von Photovoltaikanlagen vor. So sollen die Flächen auf den Dächern besser genutzt und der momentan stockende Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden. Wir haben Dr. Jörg Lippert (Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen) und Jörg Ebel (Bundesverband Solarwirtschaft) gefragt, ob und unter welchen Bedingungen eine solche Regelung auch auf Bundesebene sinnvoll wäre. 


Foto: (Quelle: BBU; Fotostudio Ludwig)
Dr. Jörg Lippert ist besonderer Vertreter des Vorstandes und Leiter des Bereichs Technik beim BBU. (Foto: BBU; Fotostudio Ludwig)

Energiewende offen denken, endlich aus Erfahrungen lernen!

Dr. Jörg Lippert, Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.

Die Energiewende ist in einer kritischen Phase. Trotz Milliardeninvestitionen in vermeintlich nachhaltige Lösungen und hohe Lasten sind die signifikanten Senkungen der Treibhausgasemissionen in der Gesamtbilanzierung nicht eingetreten.

Der Druck zur Erreichung der Klimaschutzziele 2050 wird daher immer größer und die Forderungen der Politik ambitionierter. Doch statt inne zu halten und zu evaluieren, welche Maßnahmen wirklich Sinn ergeben, setzt man gebetsmühlenartig immer wieder auf fast schon klassische Elemente und Konzepte mit belegbar viel zu niedriger Erfolgsquote.

Die geplante Solarpflicht für Neu- und Bestandsbauten in Berlin ist solch ein klassisches Element. Bereits vor ca. 25 Jahren gab es eine ähnliche Diskussion – damals allerdings mit dem Ziel Solarthermie. Bis heute ist die damals vermutete Erfolgsgeschichte der Nutzung von Solarenergie nicht eingetreten. Und das hat seine Gründe – nicht etwa im Unwillen der Gebäudeeigentümer bzw. Vermieter, sondern vor allem im inkonsistenten Rechts- und Handlungsrahmen. Insbesondere mutig vorangehende Akteure haben dadurch sehr häufig demotivierende Erfahrungen gesammelt.

Gerade im Vermietungsbereich gibt es viele Hemmnisse für den Einsatz dieser an sich sinnvollen regenerativen Energiequelle. Sie einer objektiven Analyse zu unterziehen, entsprechende Erkenntnisse zu generieren und darauf aufbauend konsistente Rahmenbedingungen zu schaffen, wäre erfolgversprechend. Stattdessen wird das Ganze jedoch politisch völlig anders interpretiert: Aufgrund der fehlenden Bereitschaft und des fehlenden freiwilligen Einsatzes von Solartechnik müsse nun ordnungsrechtlich eingegriffen und ein Handlungszwang geschaffen werden.

Durch derartig einseitige Denkweisen besteht die Gefahr, die notwendige massive Minderung der Treibhausgasemissionen aus dem Auge zu verlieren und sich stattdessen in Einzelfragen und dogmatischen vorfestgelegten Lösungen zu verlieren.

Was wir brauchen, ist wirkliche Klimaschutz/Energiewende-Effizienz! Das bedeutet eine ehrliche ganzheitliche Betrachtung der Volkswirtschaft und der Wechselwirkungen ihrer Teilbereiche sowie der betriebswirtschaftlichen Realität, die Einbeziehung der Ressourcenthematik und eine intelligente, ideologiefreie Kombination der vielfältigen Lösungsoptionen.

So könnte beispielsweise der Gebäudesektor einen deutlich höheren Beitrag leisten, wenn mit dem Fokus auf der Minderung der Treibhausgasemissionen und den Gesamtkosten systemoffen geplant und gehandelt werden dürfte. Die BBU-Mitgliedsunternehmen nehmen hier seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle ein, so dass von ihren Erfahrungen sehr profitiert werden könnte.

Die Nutzung von Solarenergie ist selbstverständlich eine sehr wichtige Komponente bei der Umsetzung der Energiewende, gerade im urbanen Raum. Diese jedoch über die angedachte Solarpflicht zum seligmachenden Allheilmittel für alle Gebäude zu erklären und als Zwang zu platzieren, ist aus Sicht der Wohnungswirtschaft der falsche Weg.

www.bbu.de


Quelle: BSW
Jörg Ebel ist der Präsident des Bundesverband Solarwirtschaft. (Quelle: BSW)

Eine Solarpflicht kann nutzen – wenn sie richtig gemacht ist 

Jörg Ebel, Bundesverband Solarwirtschaft e.V.

Die Potenziale der Photovoltaik werden nur unzureichend genutzt. Photovoltaik ist die beliebteste Form und eine der günstigsten Arten der Stromerzeugung. Dennoch kommt sie bei Neubauvorhaben viel zu selten auf das Dach. Entscheidend für die Solarabstinenz ist dabei nicht mangelndes Interesse, sondern überbordende Bürokratie und die Gängelung des Eigenverbrauchs. Die Politik hat die Photovoltaik bislang mehr reglementiert, als entfesselt. Hier brauchen wir eine Schubumkehr und ein klares Bekenntnis der Politik. Ausdruck dieses klaren Bekenntnisses kann die Solarpflicht sein. Sie kann den Spurwechsel raus aus der Vollförderung hin zu marktbasierten Finanzierungen neuer Anlagen unterstützen.

Wenn Mitte bis Ende des Jahrzehnts Photovoltaik obligatorisch bei jedem Neubauvorhaben ist, lassen sich die zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Deckung der Stromnachfrage notwendigen Erzeugungskapazitäten zuverlässig realisieren. Was es dazu braucht, ist ein kluges Konzept. Von elementarer Bedeutung: Der Zubau darf unter einer Solarpflicht nicht leiden. Das heißt, eine Solarpflicht muss Wirtschaft und Verbraucher mitnehmen, sie muss machbar sein, sie muss die Rentabilität der Anlagen erhalten und auf die Planungszyklen der Beteiligten abgestimmt sein.

Deswegen stellt die Solarwirtschaft an eine Solarpflicht sieben Voraussetzungen: 1. Die Förderbarkeit trotz Solarpflicht muss (auch mit der EU) geklärt sein. Verunsicherung an dieser Stelle wäre Gift für den Ausbau. Außerdem muss das Verhältnis zum atmenden Deckel geklärt sein, weil PV-Anlagen, die unter eine Solarpflicht in einem Bundesland errichtet werden, sonst PV-Anlagen in anderen Bundesländern verhindern. 2. muss dafür gesorgt werden, dass der Ordnungsrahmen klar geregelt ist. Eine Solarpflicht mit Millionen Ausnahmen würde den Zubau neuer Solaranlagen torpedieren. 3. die Mindestgröße muss ausreichen, um die Flächen effizient zu nutzen. 4. müssen alle Genehmigungen rasch und durch eine Behörde erteilt werden und in der Verwaltung die dafür nötigen Stellen geschaffen werden. 5. fehlen aktuell Handwerkerkapazitäten. Deswegen bedarf es ausreichender Zeit, damit die fehlenden Kapazitäten aufgebaut werden können. 6. müssen die Finanzierungswege vor dem Inkrafttreten einer Solarpflicht gangbar gemacht werden. Und 7 gilt: Was der Staat Wirtschaft und Privaten abverlangt, muss er zuallererst selber leisten. Bund und Länder dürfen keine Neubauten mehr ohne Photovoltaik und Speicher errichten und müssen in ihren Haushaltsplänen ausreichend Mittel für die Nachrüstung des Bestands einstellen.

Wenn die Solarpflicht auf diese Weise sorgfältig vorbereitet und mit einem klaren Zeitplan eingeführt wird, kann Sie gelingen. Noch besser wäre es, wenn die Politik die Potenziale von PV endlich fördert statt blockiert und der dadurch ausgelöste Zubau so groß ist, dass eine Solarpflicht gar nicht nötig wäre. Aber diese Entscheidung haben Politik, und Wirtschaft in der Hand.

www.solarwirtschaft.de

 

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

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