Emissionsfreie Fahrzeuge konnten sich bisher am Markt noch nicht durchsetzen – trotz der E-Auto-Prämie von Bundesregierung und Industrie. So wird der Verkehrssektor die Klimaziele nicht erreichen. Clara Burzlaff und Florian Gizzi beschreiben, wie eine wirksame Regulierung aussehen sollte. Eine zentrale Rolle spielt dabei eine besondere Quotenregelung.
Aus dem Tagesspiegel Background vom 06.09.2018. |
Alle kommunalen und nationalen Verkehrssysteme in Deutschland stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Auslöser hierfür sind die ambitionierten Umweltschutzziele, die vor dem Hintergrund der erforderlichen CO2-Minderung und der zu reduzierenden lokalen Luftschadstoffe in den vergangenen Jahren gesetzt wurden. Diverse Ansätze und Maßnahmen existieren bereits, um die Umweltschutzziele im Verkehrsbereich voranzutreiben. Bisher verfehlen diese jedoch ihre Wirkung, sodass Deutschland den Zwischenzielen bis 2050 stark hinterherhinkt.
Sämtliche große Energiesystemmodelle sowie aktuellen Studien zur Mobilitäts- und Verkehrswende stellen vor diesem Hintergrund den zentralen Stellenwert alternativer Antriebstechnologien mit einem besonderen Fokus auf batterieelektrische Fahrzeuge heraus. Ein ausreichender Markthochlauf solcher Antriebe erfordert eine Transformation des gesamten Energie- und Verkehrssystems. Diese stellt eine außerordentliche Kraftanstrengung für die Verkehrspolitik auf sämtlichen Ebenen sowie die deutsche Industriepolitik dar.
Herausforderend ist die Transformation auch deshalb, weil sie der Koordination unzähliger Einzelentscheidungen bedarf. Das beginnt bei den Angebotsentscheidungen der Hersteller von Fahrzeugen, geht über die Aufbauentscheidungen der Anbieter von Lade- oder Tankinfrastrukturen und endet bei den Kauf- und Nutzungsentscheidungen der Endnutzer. Diese Koordination ist abhängig vom aktuellen Wissen über anzustrebende Technologiemixe im Verkehr stets neu zu justieren. Angesichts der übergeordneten Umweltschutzziele steht aber außer Frage, dass sie zwingend erfolgreich sein muss.
Klare Leitlinien sind notwendig
Der Markthochlauf alternativer, insbesondere elektrifizierter, Antriebssysteme verläuft jedoch weiterhin schleppend. Elektroautos werden weder in ausreichendener Klassenvielfalt noch zu akzeptablen Preisen angeboten. Außerdem stehen nicht genügend Lademöglichkeiten zur Verfügung. Vielerorts wird auf umfassende Freiräume für die Eigeninitiative privater Unternehmen gesetzt (dezentraler „Laissez-Faire-Ansatz“) anstatt auf koordinierende Gesamtkonzepte. Bestehende Förderinstrumente beinhalten vorrangig finanzielle und steuerliche Anreize sowie (straßenverkehrs-)rechtliche Privilegien. Sie konnten bisher nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Entsprechend ist der notwendige Markthochlauf unzweifelhaft gefährdet – dies haben die praktischen Erfahrungen in den letzten Jahren mahnend aufgezeigt. Auch theoriegeleitete Untersuchungen, die im Rahmen des BMBF-Projektes Energiewende-Navigationssystem, kurz ENavi, durchgeführt wurden, verdeutlichen diese Richtung.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, sollte die öffentliche Hand in größerem Ausmaß als bisher klare Leitlinien schaffen. Neben den Umweltschutzzielen sollte dabei stets das Ziel eines attraktiven Angebots verfolgt werden. Hierfür sind spezifische und klare Vorgaben hinsichtlich der Fahrzeuge sowie der Ladeinfrastruktur einzusetzen. Solche Orientierung „wohin die Reise geht“ hilft am Ende allen Beteiligten. Dass hierbei auch dezentrale Interessen sowie dezentrale Wissensstände einzubeziehen sind, sollte selbstverständlich sein.
Vorbilder Frankreich, Großbritannien, China
Um den Markthochlauf alternativer Antriebsformen zu schaffen, empfehlen wir eine verpflichtende Quote mit flankierenden Maßnahmen als ordnungsrechtliches Instrument. Eine solche Quote wurde bereits auf Bundesebene diskutiert und in anderen Ländern in unterschiedlichen Ausprägungen implementiert.
Frankreich führte beispielsweise ein Bonus-Malus-System ein, das die Bevorzugung CO2-armer Neufahrzeuge anreizt. Außerdem soll bis 2040 der Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gänzlich untersagt werden. Die britische Regierung hat ebenfalls ein solches Verkaufsverbot verhängt. Auch außerhalb Europas werden Staaten tätig: So hat die Volksrepublik China ein Gesetz angekündigt, das eine verpflichtende Zehn-Prozent-Elektro-Absatzquote für Autohersteller ab 2019 einführt.
Eine Analyse des IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität im Rahmen von des Kopernikus-Projektes ENavi (Energiewende-Navigationssystem) hat ergeben, dass sich für den deutschen Markt eine technologieneutrale Quote empfiehlt, die jedoch anhand verschiedener Bewertungskriterien bestimmte Technologien wie Akku-Elektromobilität bevorzugt.
Kriterien für eine Quote
Die Kriterien könnten sich an dem Wirkungsgrad, der Emissionsfreiheit sowie der Verwendung erneuerbarer Energien orientieren und entsprechend des technologischen Fortschritts angepasst werden. Eine solche Ausgestaltung wäre auch in Einklang mit der Linie der Bundesregierung, die zwar der Batterieelektromobilität eine deutlich hervorgehobene Rolle beimisst, aber gleichzeitig auf die Notwendigkeit eines technologieoffenen Ansatzes verweist, um Innovationen zu fördern.
Der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben, um eine Quotenregelung zu implementieren. Dieser bedeutet hier, dass den Automobilherstellern, die durch die Quote verpflichtet werden, nichts abverlangt werden darf, was auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreichbar wäre. Ferner muss das ihnen gesetzte Ziel mit einem zumutbaren Aufwand erfüllbar sein. Der Staat muss einen Rahmen schaffen, der dieser Zielerreichung zuträglich ist.
Um dieser Voraussetzung nachzukommen und gleichzeitig auf die Entwicklungen des technologischen Fortschritts einzugehen, bietet es sich an, die Höhe der Quote dynamisch auszurichten und sukzessiv entsprechend aktueller Entwicklungen anzupassen. Das Spannungsfeld zwischen der Effektivität einer solchen Regelung und der Erfüllbarkeit durch ihre Adressaten sollte den Grad des Anstiegs entscheiden. Die zusätzliche Option handelbarer Punkt- und Gutschriftsysteme („Credits“) könnte verhindern, dass jedem Adressaten – in diesem Fall die Automobilhersteller – eine absolute Quote auferlegt wird.
Zuverlässige Lade- und Tankinfrastruktur notwendig
Damit eine Quote erfolgreich implementiert werden kann, sind parallele Maßnahmen unerlässlich, die die öffentliche Hand ebenfalls gewährleisten müsste. Hier ist insbesondere auf die Lade- und Tankinfrastruktur zu verweisen. Im Rahmen von ENavi entwickelte die TU Berlin (Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik) aus institutionenökonomischer Sicht verschiedene Infrastrukturmodelle, die eine ausreichende Abdeckung, eine einfache Gestaltung der Schnittstelle zum Nutzer sowie ein einheitliches und klares Preisregime erwirken würden.
Als besonders wirksam zeigte es sich, wenn eine Bundesgesellschaft die Infrastruktur inklusive Vertragslösungen mit privaten Akteuren zentral bereitstellt. Eine wirkungsvolle Alternative ist ein Wettbewerbsmodell, bei dem die Bereitstellung und Finanzierung zentral reguliert werden. Für beide Modelle wird angeregt, dass Automobilhersteller in verschiedene Arten von Beratungs- und Managementaufgaben in die zentralen Organisationen einbezogen werden könnten, um dieses dezentrale Wissen gezielt einzubeziehen.
Laufende ökonomische und juristische Arbeiten untersuchen, inwiefern direkt eine gemeinschaftliche Initiative der Fahrzeughersteller eine geeignete Organisationsform für die Bereitstellung wäre und inwiefern in diesem „Club“ regulatorische Vorgaben zu machen wären. Besonders spannend ist in diesem Kontext die Gründung des Joint-Ventures Ionity der deutschen Automobilindustrie, das sich den Aufbau eines europaweiten Schnellladenetzwerkes zum Ziel gesetzt hat.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine intelligente Quote für emissionsfreie Fahrzeuge großes Potential für die zwingend erforderliche Transformation des Verkehrssektors bietet. Weitere regulatorische Maßnahmen, die insbesondere eine zuverlässige Schnellladeinfrastruktur vorantreiben, müssen diese flankieren. Neben der Förderung neuer Technologien ist es zudem erforderlich, integrierte nachhaltige Mobilitätskonzepte forciert zu erforschen und umzusetzen.
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Dr. Florian Gizzi
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Clara Burzlaff
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