Auf den Anstieg des Radverkehrs zu Beginn der Covid-19-Pandemie reagierten Berlin und andere Städte mit der Einrichtung von Pop-up-Radwegen. Wissenschaftler:innen des IKEM haben die Treiber und Hindernisse für die Einrichtung und Verstetigung von Pop-up-Radwegen sowie die rechtlichen Grundlagen am Beispiel Berlins untersucht. Das jetzt veröffentlichte Poster verdeutlicht die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen, die jedoch vom Straßenverkehrsrecht des Bundes begrenzt werden.
„Träge Verwaltungsstrukturen sowie überholte Vorstellungen bezüglich der Verkehrsplanung verhinderten bisher ebenso wie fehlende personelle und finanzielle Ressourcen den raschen Ausbau von Radinfrastruktur. Durch die Pandemie ergab sich jedoch ein Gelegenheitsfenster für Radverkehrsprojekte. Maßgeblich für eine erfolgreiche Umsetzung der Pop-Up-Radwege war dabei das persönliche Engagement und die Zusammenarbeit der kommunalen Entscheidungsträger:innen“, erklärt Katharina Csillak, wissenschaftliche Referentin am Fachbereich Mobilität des IKEM.
Seit der Ersteinrichtung der Pop-up-Radwege hat sich in Berlin ein dreistufiger Verstetigungsprozess bewährt. Dieser besteht aus einer temporären Einrichtung der Radwege, einer begleitenden Evaluierung und einer dauerhaften baulichen Umsetzung, beispielsweise durch den Einsatz von Pollern. Das Vorgehen gilt als mögliches Standardverfahren und soll anderen Städten bei der Umsetzung von (Pop-up-)Radwegen helfen.
“Radfahren ist ein Schlüssel zu einer gesunden und klimafreundlichen Mobilität in Städten. Die Einrichtung von Pop-up-Radwegen in Berlin hat bewiesen, dass mehr und bessere Radwege auch mehr Menschen zum Fahrradfahren motivieren können“, so Simon Kaser, ebenfalls wissenschaftlicher Referent am IKEM. „Da die maßgeblichen Rechtsgrundlagen – Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung – Bundesrecht sind, dürfen Länder und Kommunen aber nur dort Radwege anordnen, wo Verkehrssicherheit und -ablauf gefährdet sind. Die Pop-up Radwege sind ein gutes Beispiel dafür, wie man innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens proaktiv handeln kann“.
Friederike Pfeifer, Bereichsleiterin des Fachbereichs Mobilität, sieht die Bundesregierung in der Pflicht: „Obwohl die Einrichtung der Pop-up Radwege gezeigt hat, dass Kommunen auch im bestehenden Rechtsrahmen Handlungsspielräume klug nutzen können, braucht es in Zukunft eine klare politische Linie von der Bundesebene. Die Integration von gesundheits-, klima- und umweltschutzorientierten sowie städtebaulichen Zielen in Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung ist dafür ein wichtiger Schritt – vom Koalitionsvertrag müssen diese Anpassungen nun ihren Weg in die Umsetzung finden. Nur so wird langfristig ein Paradigmenwechsel von einer autoorientierten hin zu einer vor Ort gestalteten, nachhaltigen und klimafreundlichen Verkehrsplanung gelingen”.