Die neue Regierungskoalition will als „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ in Kürze ihre Arbeit beginnen und hat gestern ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. „Die Ankündigungen des Koalitionsvertrags klingen mit Blick auf den Klimaschutz oft ambitioniert. Wie die Umsetzung gelingen soll, lässt die Vereinbarung aber offen. Deshalb kommt es auf eine gute Zusammenarbeit in der Regierung an“, kommentiert Dr. Simon Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer des IKEM.
Der jetzt vorgestellte Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen will „mehr Fortschritt wagen“ und auf eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ hinarbeiten. Das klingt vielversprechend, doch bei genauem Hinsehen wird deutlich, dass die Koalitionäre noch keine allzu konkreten Vorstellungen davon haben, wie der Umbau hin zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Wirtschaft gelingen kann. Ihr 160-Seiten-starkes Papier enthält einerseits neue Ideen und ambitionierte Ziele für den Klimaschutz, aber anderseits eben auch viel Altbekanntes und vage Formulierungen hinsichtlich der Umsetzung.
Beispiel CO2-Preis: Die Ampelkoalition möchte das nationale System der CO2-Bepreisung möglichst schnell in einen weiterentwickelten Europäischen Emissionshandel (ETS 2) integrieren. Das ist eine richtige und sinnvolle Maßnahme, doch im gleichen Absatz wird erklärt, dass der bisherige Preispfad für den nationalen CO2-Preis nicht verändert werden soll. Das wird mit den sozialen Härten hoher Energiepreise begründet, ist wohl aber eher mit Rücksicht auf die fossile Energiebranche zu erklären. Im Hinblick auf Klimaziele wären hier größere Ambitionen erforderlich.
Im Bereich der erneuerbaren Energien haben sich SPD, FDP und Grüne auf ambitionierte Ausbauziele geeinigt. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Windenergie, Photovoltaik und Konsorten stammen. So weit so gut, doch letztlich hängen diese Ziele von einer beschleunigten Planung und Genehmigung der Anlagen ab. Abgesehen von seit Langem diskutierten Ideen wie der Ausweisung von zwei Prozent Windenenergieflächen, einer PV-Pflicht für gewerbliche Neubauten und beschleunigten Genehmigungsverfahren, bietet der Koalitionsvertrag wenig Konkretes. Innovative Konzepte wie die Stärkung der regionalen Grünstromvermarktung werden nur am Rande erwähnt. Das alles verheißt nichts Gutes für den Ausbau der Erneuerbaren.
Für die Verkehrswende ist zu begrüßen, dass die neue Regierung erstmals deutlich mehr in die Schiene als in die Straße investieren will. Der Schienengüterverkehr soll bis 2030 auf 25 Prozent gesteigert und die Verkehrsleistung im Personenverkehr verdoppelt werden. Wie der nötige Ausbau der dafür erforderlichen Infrastruktur ablaufen und gelingen soll, darauf bleibt der Koalitionsvertrag bis auf die vage Ankündigung einer „Beschleunigungskommission Schiene“ allerdings viele Antworten schuldig.
Wasserstoff soll ein wichtiger Baustein einer dekarbonisierten deutschen und europäischen Energieversorgung werden. Die aktuellen Ziele für den Aufbau von Elektrolysekapazitäten für grünen Wasserstoff in Deutschland wollen die Koalitionäre auf 10 GW (2030) verdoppeln. Das klingt hervorragend, wird jedoch den Bedarf bei weitem nicht abdecken, zumal mit der Ankündigung, vermehrt „H2-ready“-Gaskraftwerke und Gasnetze zu errichten, in ganz neue Wasserstoff-Dimensionen vorgedrungen wird: Da Gaskraftwerke in der Regel mit einer Kraft-Wärme-Kopplung kombiniert werden, wird Wasserstoff in Zukunft auch Anwendung im Wärmebereich finden. Das ist sicher ein guter Schritt, erfordert jedoch H2-Mengen, die zusätzlich über den Import organisiert werden müssen. Dafür liefert der Koalitionsvertrag noch keine Strategie.
Diese vier Beispiele zeigen anschaulich, dass sich die zukünftigen Koalitionspartner viel vorgenommen haben aber nicht so genau wissen, wie sie diese Erwartungen auch erfüllen werden. Natürlich kann ein Koalitionsvertrag einerseits nicht alles bis ins kleinste Detail regeln. Deshalb kommt es andererseits für den Klimaschutz umso mehr auf die gute Zusammenarbeit der Koalitionäre und die Ausgestaltung des Rechtsrahmens für Energie- und Verkehrswende an.