Grüner Wasserstoff gilt als wesentlicher Baustein eines nachhaltigen Energiesystems auf Grundlage erneuerbarer Energien. Zu diesem Thema engagiert sich das IKEM derzeit in rund 15 Projekten, welche die gesamte Wertschöpfungskette – von der Erzeugung, über den Transport und die Zertifizierung bis hin zum Einsatz in Industrie und Verkehr – von Wasserstoff und seinen Derivaten abdecken. Im Interview spricht Leony Ohle, Leiterin des Fachbereichs Energierecht, über die Gründe für Wasserstoff als Energieträger, Lücken im Rechtsrahmen und die Arbeit des IKEM zu diesem Thema.
Regierungen weltweit investieren Milliarden in die Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologien. Warum ist dieses Element so wichtig?
Wasserstoff kann insbesondere überall dort zum Einsatz kommen, wo eine direkte Elektrifizierung nicht oder nicht sinnvoll möglich ist. Das betrifft energieintensive Sektoren, wie die Zement-, Stahl- oder Chemieindustrie oder auch den Schwerlast- und Flugverkehr. Die neue Kraftwerksstrategie der Bundesregierung geht außerdem davon aus, dass Wasserstoff in „H2-ready“-Gaskraftwerken bei der Stromerzeugung zum Einsatz kommt. Unsere Energiesysteme werden schlichtweg bis auf weiteres nicht ohne Brennstoffe auskommen und da ist grüner Wasserstoff sowie seine Derivate, wie etwa Methanol oder Ammoniak ein unabdingbarer Baustein für die dekarbonisierte Zukunft
Welche Rolle spielen internationale Kooperationen dabei?
Die Wasserstoffwirtschaft wird von Beginn an global aufgestellt sein. Sowohl die europäische als auch in die deutsche Wasserstoffstrategie geht von einem erheblichen Importbedarf für grünen Wasserstoff aus. Gleichzeitig sind Länder wie Namibia und Australien mit großen erneuerbaren Erzeugungspotenzialen dabei, die großen Produktionskapazitäten für den Export aufzubauen. Hier entstehen auf beiden Seiten viele Chancen und Möglichkeiten für die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die im Sinne des Klima- und Umweltschutzes genutzt und gestaltet werden sollten.
Vor welchen Herausforderungen steht die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland aktuell?
Die Wasserstoffwirtschaft – so der politische Konsens – wird für die Dekarbonisierung dringend benötigt. Stand jetzt befindet sie sich aber noch in der Entstehungsphase und steht dabei zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung in Konkurrenz zur etablierten fossilen Energiewelt. Diesen Zustand gilt es im Sinne des Klimaschutzes schnellstmöglich zu überwinden. Zum einen, indem die Skalierung vorbereitet und zügig vorangetrieben wird. Und zum anderen, indem passende Finanzierungsinstrumente für die notwendigen Investitionen geschaffen werden
Welche Voraussetzungen müssen außerdem geschaffen werden?
Die regulatorische Entwicklung in den letzten zwei Jahren war, beschleunigt durch die vom russischen Angriffskrieg hervorgerufene Energiekrise, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene erstaunlich dynamisch. Gerade im Zusammenspiel zwischen Forschung und Politik hat viel gut funktioniert und die Entwicklung des Rechtsrahmens wurde maßgeblich vorangetrieben.
Trotzdem sind wir rechtlich und regulatorisch nicht dort, wo wir sein sollten: Beispielsweise warten viele Investoren derzeit auf eine abschließende und national umgesetzte Binnenmarktregulierung sowie eine tragfähige Finanzierung für die Infrastruktur. Unklarheit besteht weiterhin bei den Genehmigungs- und Zertifizierungsverfahren sowie beim Aufbau des Wasserstoffverteilnetzes. Hier fehlt etwa eine Strategie, welche die neue Kraftwerksstrategie und Aspekte der kommunalen Wärmeleitplanung berücksichtigt.
Wie unterstützt das IKEM die Weiterentwicklung des Wasserstoffmarkts?
Wir befassen uns sowohl projektbezogen als auch strategisch mit allen Aspekten der Wasserstoffwirtschaft. Wir begleiten die Entwicklung des Rechtsrahmen und identifizieren Hemmnisse für Wasserstoffvorhaben. Ein Beispiel dafür ist unsere im Februar erschienene Studie zum internationalen Wasserstoffhandel. Außerdem sind wir Teil des Leitprojekts der Bundesregierung TransHyDE, in dem wir den Aufbau einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur mit unserer rechtlichen Forschung begleiten. Auf Basis dieser Analysen erarbeiten wir Empfehlungen für rechtliche Anpassungen und bringen diese in den politischen Diskurs ein. Weitere Schwerpunkte sind die Forschung zur Akzeptanz für den Infrastrukturausbau sowie die Wissenschaftskommunikation, mit der wir komplexe Zusammenhänge rund um das Thema Wasserstoff für ein breites Publikum zugänglich machen.