Das IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität weist in einer heute veröffentlichten Studie nach, dass Berlin zu guten Teilen mit erneuerbarem Strom aus Brandenburg versorgt werden kann. Dazu haben die Autoren Echtzeiterzeugungs- und Verbrauchslasten der zwei Regionen verglichen. Die Studie entstand im Auftrag der Plattform Lokale Energie und unter der Schirmherrschaft des Regionalverbands Berlin-Brandenburg im Bundesverband WindEnergie (BWE).
Großteil des Berliner Strombedarfs kann mit Erneuerbaren gedeckt werden
Einen besonderen Fokus legt die Studie auf die Zeitgleichheit von grüner Erzeugung und Verbrauch. Gerade wenn die Versorgung auf Wind- und Photovoltaikanlagen beruht, ist es wichtig, dass der grüne Strom tatsächlich bereitgestellt werden kann, wenn er benötigt wird. Zur Überprüfung griffen die Autoren auf die minutengenauen Erzeugungsdaten von erneuerbare Energie Anlagen in Brandenburg und Berlin zurück. Diesen Daten wurden ebenso genauen Verbrauchsdaten öffentlicher Liegenschaften in Berlin gegenübergestellt. Dazu zählen zum Beispiel Krankenhäuser, Schulen oder auch Rathäuser.
Die wichtigste Erkenntnis aus technischer Sicht: Stromerzeugung und -bedarf decken sich in weiten Teilen. Heute kann bereits ein großer Anteil des Berliner Strombedarfs mit grüner Energie gedeckt werden.
„Berlin als Stromabnehmer und Brandenburg als Grünstrom-Erzeuger ergänzen sich bestens. Wenn der Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorangetrieben wird, ist eine gleichzeitige Belieferung der Hauptstadt mit grünem Strom möglich. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist auf dem besten Weg, ein Leuchtturm der Energiewende zu werden“, so IKEM-Geschäftsführer und Leiter der Plattform Lokale Energie Simon Schäfer-Stradowsky.
Grünstromversorgung: Eine energiewirtschaftliche Herausforderung
Vor dem Hintergrund des ambitionierten Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 sollen künftig rund 30 bis 40 Prozent des Energiebedarfs der Hauptstadt mit Strom aus Berliner Photovoltaik-Anlagen gedeckt werden. Wie gezeigt wurde, könnte der verbleibende Bedarf mit Brandenburger Strom aus Erneuerbaren bedient werden.
Der einfache Umstieg auf sogenannten Ökostrom wird nicht ausreichen um diese Ziele zu erreichen, erklärt Tom Lange, Regionalvorsitzender Berlin im Bundesverband WindEnergie (BWE): „Regulären Ökostromprodukten fehlt oftmals eine Zubauwirkung, da nur Strom aus ohnehin bestehenden erneuerbaren Energie Anlagen vermarktet wird. Die Anteile von Strom aus erneuerbaren Energien am Strommix werden bilanziell lediglich einem bestimmten Kundenkreis zugeordnet und an anderer Stelle durch fossile Erzeugung ersetzt“. Jedoch müsse die Versorgung mit erneuerbar erzeugtem Strom nicht bilanziell, sondern zum Zeitpunkt des Verbrauchs sichergestellt werden. Durch den entstehenden zusätzlichen Bedarf nach echtem grünem Strom seien Anreize zum Ausbau von Erneuerbaren sowie ein positiver Klimaschutzeffekt zu erwarten.
Aus diesem Grund widmet sich die Studie auch der rechtlichen und ökonomischen Machbarkeit eines qualifizierten Grünstromprodukts mit Regionalbezug. Eine solche Form der Vermarktung könnte sich positiv auf den erneuerbare Energien-Anlagenbestand auswirken, Engpässen im Stromnetz vorbeugen und zur Dekarbonisierung anderer Sektoren beitragen. Jedoch müssen hierzu noch umfangreiche Herausforderungen überwunden werden: So ist das Potential zur regionalen Vermarktung von grünen Strom durch fehlende Handlungsspielräume im Energierecht begrenzt. Die Autoren empfehlen deshalb Anpassungen des Rechtsrahmens.
Schäfer-Stradowsky: „Um Berliner Schulen und Krankenhäuser klimaneutral zu betreiben, brauchen diese echten grünen Strom, am besten aus der Region. Entsprechende Stromprodukte sind im derzeitigen energiewirtschaftlichen Umfeld nicht absehbar. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.“
Hintergrund
Die Studie wurde von der Plattform „Lokale Energie“ finanziert. Gemeinsam mit seinen Partnern arbeitet das IKEM über die Plattform an zahlreichen Energiewendeprojekten, die lokale Grünstrom-Erzeuger, Vermarkter und Verbraucher zusammenbringen. Ziel ist es, die regionale und direkte Vermarktung von erneuerbarem Strom als Baustein der Energiewende etablieren und lokale Wertschöpfung ermöglichen.
Die Machbarkeitsstudie führte das IKEM gemeinsam mit der Kisters AG und den Plattformpartnern General Electric, Energiequelle, UKA Umweltgerechte Kraftanlagen GmbH, den Berliner Stadtwerken, BLS Energieplan sowie Regiogröön unter der Schirmherrschaft des BWE Regionalverbands Berlin-Brandenburg durch. Die Last- und Erzeugungsdaten wurden von davidberlin – für die Energiewirtschaftsstelle des Landes Berlin, Newmotion, Energiequelle, Teut Windprojekte sowie Kintlein & Ose bereitgestellt. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Landes Berlin sowie das Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg begleiteten die Erstellung der Studie.