Am Montag, 04.04.2022, hat das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) den dritten Teil des sechsten Sachstandsberichts veröffentlicht. Der Bericht spiegelt das derzeitige Wissen der Menschheit über die Eindämmung des Klimawandels wider. Fünf Jahre lang haben 278 Wissenschaftler:innen aus 65 Ländern daran gearbeitet, der Bericht wurde von Regierungen und Expert:innen aus der ganzen Welt geprüft, die über 50.000 Kommentare dazu abgegeben haben. Das IKEM äußert sich zu dem Bericht wie folgt:
Dr. Aleksandra Novikova, Leitautorin in der Arbeitsgruppe III des IPCC und Fachbereichsleiterin am IKEM:
„Wenn wir unsere Treibhausgasemissionen nicht sofort und entschlossen in allen Sektoren senken, werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen – wir sind derzeit nicht annähernd auf dem richtigen Weg. Um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, dürfen die globalen Treibhausgasemissionen bis höchstens 2025 weiter steigen, müssen bis 2030 auf 43 Prozent unter das Niveau von 2019 sinken und bis Anfang der 2050er Jahre netto null erreichen.
Das bedeutet, dass die nächsten Jahre entscheidend sind, um den Planeten auf den richtigen Weg zu bringen. Die gute Nachricht ist, dass die technologischen und nicht-technologischen Lösungen zur Reduzierung der Treibhausgase bereits verfügbar sind.
In den letzten Jahren sind die Kosten für viele Technologien gesunken und sie konnten sich weiter am Markt etablieren. So sind seit 2010 die Kosten für Solar- und Windenergie sowie für Batterien weltweit um bis zu 85 Prozent zurückgegangen, gleichzeitig nahm die installierte Erzeugungsleistung zu. Das wird auch an anderer Stelle gelingen.
Um die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, müssen wir die Investitionen in Klimaschutz-Maßnahmen bis 2030 um das Drei- bis Sechsfache erhöhen. Weltweit gibt es genügend Kapital und Liquidität, um diese Investitionslücke zu schließen.
Entscheidungen von Politik, Wirtschaft und Industrie sowie der Bürgerinnen und Bürger können zu den erforderlichen Emissionsminderungen beitragen. Um das Ziel zu erreichen, sind Maßnahmen in allen Sektoren und in allen Ländern erforderlich. Stand heute haben schon mindestens 18 Länder ihre Treibhausgasemissionen über einen Zeitraum von zehn Jahren nachhaltig verringern können.
Ich bin sehr stolz und fühle mich geehrt, als Leitautorin am sechsten Sachstandsbericht beteiligt gewesen sein. Ich fordere dringend dazu auf, den Bericht zu lesen und zu handeln!”
Prof. Dr. Michael Rodi, Gründer sowie geschäftsführender und wissenschaftlicher Direktor des IKEM und Leiter der Forschungsakademie:
„Noch nie wurden die Autorinnen und Autoren der Arbeitsgruppe III so deutlich wie in diesem Sachstandsbericht. Selbst wenn wir alle Kräfte zusammennehmen, wird es sehr schwierig, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.
Trotz aller Einschränkungen für Verkehr und Wirtschaft während der Corona-Pandemie konnten wir unsere Emissionen nicht senken. Wieder bestätigt sich, was die Wissenschaft seit Jahren nach jeder Klimakonferenz und nach jeder verabschiedeten Reform wiederholen muss: Es reicht nicht.
Während der Beweis für diese Aussage erst in der Zukunft erbracht werden kann, bestätigen sich die wissenschaftlichen Vorhersagen über das Fortschreiten des Klimawandels Jahr für Jahr. Meist waren die getroffenen Prognosen sogar zu konservativ und die realen Veränderungen schneller und schwerwiegender.
Die Wissenschaft wird weiterhin Soll- und Ist-Zustand vergleichen und Empfehlungen aussprechen. Was sich ändern wird, ist die Hoffnung, dass man unzureichende politische Entscheidungen irgendwann in der Zukunft noch wird ausbessern können. Das wird nicht mehr gelingen.”
Dr. Simon-Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer des IKEM:
„Der Sachstandsbericht zeigt, dass die Instrumente zur Begrenzung des Klimawandels bereits seit Langem bekannt sind. Sei es der massive Ausbau erneuerbarer Energien, ein wirkungsvoller CO2-Preis, der Ausstieg aus Kohle und fossilem Gas oder die Dekarbonisierung unserer Mobilität. Gerade in Deutschland haben wir diese Ansätze trotz besseren Wissens in den letzten Jahren nur halbherzig genutzt.
Der Ausbau der Windenergie wurde, ebenso wie der Ausbau von Photovoltaik, an vielen Stellen bewusst behindert. Der eingeführte CO2-Preis ist bisher so niedrig, dass er wirkungslos bleibt. Der Ausstieg aus der Kohle kommt zu spät, die Gaswende hat nicht einmal begonnen – stattdessen gab es 2021 in Deutschland so viele erdgasbetriebene Heizungen wie nie zuvor. Auch der Verkehrssektor hat nichts zur Treibhausgassenkung beigetragen, im Gegenteil, er ist der einzige Sektor, in dem der Ausstoß sogar angestiegen ist.
Was uns jetzt fehlt ist Zeit, die Maßnahmen umzusetzen – das macht der sechste Sachstandsbericht sehr klar deutlich. Die Politik muss handeln und endlich Reformen auf den Weg bringen, die uns wirklich auf 1,5-Grad-Kurs bringen, denn wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten. Wer jetzt Reformen verwässert, nimmt eine Erderwärmung über 1,5-Grad bewusst in Kauf.”