Interview mit Dr. Michael Kalis

„Die Klimafinanzierung darf nicht zur Bremse der globalen Klimapolitik werden“

Internationale Klimakonferenzen wie die COP bieten eine Bühne für wegweisende Verhandlungen zu globalen Klimaschutzmaßnahmen. Sie bringen Vertreter:innen aus aller Welt aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um über die dringendsten Klimafragen zu diskutieren. Im Interview mit Dr. Michael Kalis, Leiter der Forschungsakademie des IKEM, der auf der COP war, erhalten wir spannende Einblicke in die zentralen Herausforderungen der Verhandlungen und die IKEM-Side-Events.

Du warst bei der COP29 in Baku vor Ort. Wie war die Stimmung? 

Die Stimmung war äußerst geteilt. Einerseits gab es zahlreiche Hoffnungen und Forderungen, die mit der COP verbunden waren. Natürlich ist es schwer, die Vielzahl der Eindrücke zusammenzufassen, da sie stark von der eigenen subjektiven Wahrnehmung abhängen. Klar ist jedoch: Diese COP war, besonders auch von Seiten des Gastgebers, nicht durch ein starkes Klimaschutz-Narrativ geprägt. Außerhalb der Blue und Green Zones, also dem Veranstaltungsort der COP, wirkte die Stadt Baku gut organisiert, sie war allerdings auch von einer massiven Polizeipräsenz dominiert. 

Wie schätzt du die Rolle des Gastgeberlandes Aserbaidschan ein? 

Der Gastgeber hat es nicht geschafft, die Hoffnungen und Forderungen, die mit der COP29 verknüpft waren, zu erfüllen. Stattdessen hat Aserbaidschan auf widersprüchliche Narrative gesetzt, insbesondere in Richtung des globalen Nordens und in Bezug auf die fossile Brennstoffindustrie. Es fehlte ein klares Bekenntnis zu ambitioniertem Klimaschutz, wodurch das Gastgeberland eher als Hindernis für progressive Verhandlungen wahrgenommen wurde. 

Welche Themen standen dieses Jahr im Fokus der Verhandlungen? 

Ein zentraler Schwerpunkt lag wie schon bei den letzten COPs auf der Klimafinanzierung. Hier geht es um sehr viel Geld, das für grüne Technologien, Anpassungsmaßnahmen und andere Klimaschutzprojekte benötigt wird. Angesichts der Dringlichkeit dieser Finanzflüsse ist die Klimafinanzierung die zentrale Frage, die geklärt werden muss. Die Verhandlungen darüber sind weiterhin stark von Konflikten zwischen Globalem Norden und Globalem Süden geprägt, insbesondere was die Höhe und Verteilung der finanziellen Mittel angeht. Diese Fragen der Finanzierung dürfen nicht zur Bremse der globalen Klimapolitik werden. Weitere zentrale Themen der Verhandlungen waren „Loss and Damage“, also der Ausgleich für klimabedingte Schäden, und damit verbundene Fragen der Klimagerechtigkeit. Da das 1,5-Grad-Ziel inzwischen kaum noch erreichbar erscheint, war auch die Klimaanpassung verstärkt im Fokus. Eine der Errungenschaften der COP war die Klärung des Artikel 6 des Pariser Abkommens, der sich mit dem Carbon Market befasst. Hinsichtlich dieses Artikel sind fast 10 Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich alle wesentlichen Details geklärt, jetzt kommt es auf die Implementierung an. Im Gegensatz dazu wurde die Transition weg von fossilen Brennstoffen, die bei der COP28 letztes Jahr beschlossen wurde, in ihrer Umsetzung nicht weiter konkretisiert. Damit wurde der längst überfallige Beschluss zum globalen „Phase-Out“, also der Abkehr von fossilen Energietägern erneut vertagt.

Welche Schwerpunkte hat das IKEM in seinen Side-Events gesetzt, und welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? 

Das IKEM war auch dieses Jahr mit verschiedenen Side-Events auf der COP vertreten. Im Ukrainischen Pavillon fand ein Event mit Vertreter:innen von EUETH, der Europäischen Kommission und der ukrainischen Regierung statt, bei dem der Fokus auf der Energiewende und dem Wiederaufbau der Energieinfrastruktur in der Ukraine lag. In einem anderen Side-Event, das gemeinsam mit der OSZE organisiert wurde, ging es um den Energie-Klima-Sicherheits-Nexus im Kontext des russischen Angriffskriegs, der Energiekrise und der Lage in der Ostseeregion. Außerdem gab es ein Side-Event zu Nature Restauration und der Rolle von Mooren, sowohl in der EU als auch mit Blick auf Post-War-Recovery in der Ukraine.

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Dennis Nill

Dennis Nill

dennis.nill@ikem.de
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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

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IKEM and EUETH will be hosting a series of side events at this year’s climate negotiations to discuss the energy-climate-defense nexus, the reconstruction of Ukraine’s energy system, and nature-based solutions for climate mitigation.