Dezentrale Energieversorgungssysteme auf kommunaler Ebene mit Fokus Mikro-KWK-Anlagen: Hemmnisse und Anreize der Akzeptanzschaffung

Ein wichtiger Baustein der zukünftigen Energieversorgung liegt in der dezentralen Energieerzeugung und im dezentralem Verbrauch. In einer Stellungnahme haben wir die wichtigsten Informationen zu diesem Thema und damit verbundenen Fragen der Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen zusammengefasst.

Zusammenfassung

  • Ein wichtiger Baustein der zukünftigen Energieversorgung liegt in der dezentralen Energieerzeugung und im dezentralem Verbrauch. Dadurch ergeben sich netzentlastende Effekte, Wettbewerb wird gestärkt, Versorgungssicherheit gewährleistet und Wertschöpfung vor Ort generiert.
  • Dezentrale Energieversorgungskonzepte benötigen für eine erfolgreiche Implementierung aber Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen.
  • Großen Einfluss auf die Akzeptanzschaffung haben dabei Aspekte der finanziellen Beteiligung, des Co-Ownerships bzw. der kapitalmäßigen Beteiligung, die Herausstellung lokaler Vorteile und die Verbundenheit zum Produktionsort, die technische und finanzielle Umsetzbarkeit sowie regulatorische und strukturelle Gegebenheiten.
  • In verschiedenen Forschungsprojekten widmet sich das IKEM diesen Aspekten, ermittelt Hemmnisse und Anreize und trägt so zu einem Gelingen der Energiewende bei.

Deutschlands Energieversorgung nach der industriellen Revolution basierte im Wesentlichen auf einem zentralen Ansatz. Einige Großkraftwerke erzeugten ausreichend Energie und verteilten sie über Höchst- und Hochspannungsleitungen in ganz Deutschland. Insbesondere aufgrund des Effizienzgrads großer Anlagen und des regionalen Vorhandenseins von Brennstoffen wie bspw. Kohle war das früher auch sinnvoll.

Energiewende – ein neuer Kontext

Mit der Energiewende verändern sich die Prämissen aber: Durch den Kohle- und Atomausstieg bedarf es keiner zentralen Energieerzeugung mehr und die Vorzeichen ändern sich hin zu lokaler Erzeugung und lokalem Verbrauch. Die Technik für solche Systeme ist dem Grunde nach vorhanden und kann genutzt sowie weiter ausgebaut werden. So ist die Gasinfrastruktur zur Belieferung von Gaskraftwerken aller Leistungsklassen auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung gut ausgebaut und Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien wie Photovoltaik- oder Windkraftanlagen sind aufgrund ihrer Dargebotsabhängigkeit über ganz Deutschland verteilt. Biomasse als relevanteste nichtfluktuierende erneuerbare Energieform fällt ebenfalls dezentral an und sollte wegen des ineffizienten Transports der Biomasse auch lokal verstromt werden.

Dezentrale Energieversorgungssysteme sind verbrauchernah und können zu netzentlastenden Effekten führen, wodurch der Netzausbau auf ein moderates Maß beschränkt werden kann. Sie führen durch ihre flächenhafte Verteilung von Kraftwerkskapazitäten zu einer geringeren Verwundbarkeit des gesamten Energieversorgungssystems und können durch den Zuwachs an Akteuren den Wettbewerb an den Energiemärkten erhöhen und damit für bezahlbare Energieprodukte sorgen. Wertschöpfung kann zudem bei richtiger Ausgestaltung vor Ort erfolgen und damit den Bürgern vor Ort zukommen.

Diesen positiven Auswirkungen der Dezentralität stehen aber auch Veränderungen gegenüber, denen zum Teil mit Skepsis und Kritik begegnet wird. So macht sich teilweise Widerstand gegen den Bau von Windkraftanlagen oder großen Stromtrassen breit, die für den Energieaustausch zwischen Nord- und Süddeutschland jedoch auch bei dezentralen Konzepten erforderlich sind.

Fragen der Akzeptanzschaffung

Eine entscheidende Schlüsselfrage für das Gelingen der dezentralen Energieversorgung und damit für die Energiewende ist, wie bei Bevölkerung und Unternehmen Akzeptanz für lokale Energieerzeugung und lokalen Energieverbrauch geschaffen werden kann.

Eine grundlegende Analyse zur Schaffung von Akzeptanz bei den von Windenergieanlagen betroffenen Bürgern wurde von IKEM et al. im Auftrag von Agora Energiewende erstellt.[1] Im Rahmen der Studie wurden Optionen zur finanziellen Beteiligung mit Fokus auf die Kommunen beim Ausbau von Windenergieanlagen an Land betrachtet und eingeordnet. Die Autoren empfehlen darin, den Kommunen direkte Zahlungen zukommen zu lassen, um so eine effiziente und effektive finanzielle Beteiligung zu ermöglichen.

Von Wirth et. al. haben darüber hinaus kürzlich einen Artikel[2] veröffentlicht, der sich mit weiteren Anreizen und Hemmnissen der Akzeptanzschaffung dezentraler Energieversorgungssysteme befasst. Der Fokus liegt hierbei auf Mikro-KWK-Anlagen. Basis für die getroffenen Aussagen bilden zum einen verschiedene Studien, die sich bereits mit dieser Thematik befasst haben, sowie Experteninterviews, die mit Vertretern lokaler Energieversorgern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich geführt wurden.

Aus den analysierten Studien wurden von den Verfassern drei Aspekte herausgearbeitet, die nach ihrer Ansicht den größten Einfluss auf die Akzeptanzschaffung haben: (1) Co-Ownership[3], (2) wahrgenommener lokaler Nutzen und lokale Verbundenheit zur Produktionsstätte sowie (3) technische und finanzielle Machbarkeit.

Co-Ownership

Bezüglich des ersten Aspektes wird hervorgehoben, dass lokale Energieerzeugungsanlagen, die durch Co-Ownership betrieben werden, innerhalb der Bevölkerung stärkere Unterstützung sowie Akzeptanz erfahren. Zudem könne Co-Ownership und ein aktiver Einbezug von Verbrauchern und lokalen Unternehmen ein höheres Bewusstsein für den Energieverbrauch und die Energieerzeugung hervorrufen. Abschließend wird dargelegt, dass die Akzeptanz auf kommunaler Ebene von dem zugrundeliegenden Bereitstellungsmodell und den Besitzern bzw. Betreibern der entsprechenden Anlagen abhängig ist. So sei es für Mikro-KWK-Anlagen als mögliche Module einer dezentralen Energieversorgung schwieriger soziale Akzeptanz zu schaffen, als für große traditionelle Infrastrukturanlagen.

Lokale Vorteile und Verbundenheit zur Produktionsstätte

Hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern sich lokale Vorteile und eine lokale Verbundenheit zur Produktionsstätte auf die erfolgreiche Implementierung von lokalen Energieerzeugungsanlagen auswirken, wird dargelegt, dass vor allem durch die Hervorhebung von individuellem und privatem Nutzen (z.B. attraktive Beschäftigungsverhältnisse vor Ort) Akzeptanz geschaffen werden kann. Ebenso seien moralische Wertvorstellungen wie Umweltschutz entscheidend. In Bezug auf die Rolle von Produktionsstätten wird ausgeführt, dass diese zur Akzeptanzschaffung beitragen können, wenn die eingesetzten Techniken bekannt sind. Zudem könne sich ein Einbezug der lokalen Bevölkerung in Entscheidungsprozesse und die Implementierung notwendiger Technologien positiv auf die Akzeptanz auswirken.

Technische und finanzielle Machbarkeit

Im Zusammenhang mit der technischen und finanziellen Machbarkeit von Mikro-KWK-Anlagen wird festgehalten, dass technische Hindernisse, wie mangelnde Stromspeicherkapazitäten, oftmals eine erfolgreiche Implementierung verhindern, da für eine starke Verbreitung von lokalen Energieerzeugungsanlagen erhebliche Änderungen der Verteilungs- und Übertragungsinfrastruktur vorgenommen werden müssten. Ein weiteres Hindernis sei in mangelnder finanzieller Unterstützung verankert, wodurch eine Belebung des Marktes verhindert werde. Zudem wird es von den Autoren als unwahrscheinlich eingeschätzt, dass die Kapitalkosten von Mikro-KWK-Anlagen in naher Zukunft sinken, sodass die Anwendung dezentraler Energiesysteme begrenzt bleiben wird bis andere Technologien entwickelt worden sind.

Aus den von den Verfassern geführten Experteninterviews ergibt sich ebenfalls, dass technische und finanzielle Aspekte eine entscheidende Rolle in der Akzeptanzschaffung spielen. So würden technologische Entwicklungen wie smarte Applikationen, die die Vernetzung von mehreren Erzeugungsanlagen erleichtern, den Einsatz von Mikro-KWK-Anlagen fördern. Dem gegenüber ständen jedoch mangelnde finanzielle Ressourcen, die einen kosteneffizienten Einsatz von Mikro-KWK-Anlagen unter den aktuellen Marktbedingungen verhindern. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel seien kostengünstige Zugänge zu verschiedenen Netzinfrastrukturen für die Verbreitung entscheidend, was wiederum erkläre, weshalb vor allem etablierte Energieakteure eine Vorreiterrolle im Testen und der Entwicklung von Mikro-KWK-Anlagen innehaben.

Regulatorische und strukturelle Gegebenheiten

Weitere Hürden, die in den Interviews genannt wurden, betreffen regulatorische und strukturelle Gegebenheiten. Strom und Wärme, die in Mikro-KWK-Anlagen auf Basis von Windstrom[4] erzeugt werden, fallen regelmäßig nicht unter den Begriff der Erneuerbaren Energien und erfahre somit keine finanziellen Begünstigungen, was wiederum einen kosteneffiziente Betrieb und entsprechende Marktvorteile verhindere. Auch wenn in Deutschland – im Gegensatz zu Ländern wie der Schweiz – Netzentgelte für Power-to-Gas Verfahren entfallen und dadurch eine gewisse Nischenentwicklung der Technologie begünstigt wird, gibt der Artikel wieder, dass bestehende strukturelle Barrieren einen verbreiteten Markteintritt von Mikro-KWK-Anlagen verhindern. Verteilnetzbetreiber haben aktuell mehr Anreize, das bestehende Netz physisch zu erweitern, als neue Technologien zu entwickeln, die die Netze entlasten. Zusammenfassend wird hervorgehoben, dass politische Zielvorgaben einen großen Einfluss auf die Akzeptanzschaffung lokaler Energieerzeugungsanlagen ausüben und zudem die spezifischen regulatorischen und strukturellen Barrieren derzeit zu einer Konsolidierung des bestehenden Energieregimes führen, anstatt Potenziale für eine Nischenentwicklung von Mikro-KWK-Anlagen freizusetzen. Entsprechend treffen die Autoren des Artikels die Schlussfolgerung, dass zunächst sozialpolitische Akzeptanz erzielt werden muss, um die notwendigen institutionellen Bedingungen zu schaffen und erst dann Faktoren wie Akzeptanzschaffung innerhalb der lokalen Bevölkerung entscheidend sind.

Forschungsprojekte des IKEM

Das IKEM befasst sich im Rahmen verschiedener Projekte wie Kopernikus, einer Studie für Agora, Quaree 100, Flexgeber und InnoNEX intensiv mit Themen der Dezentralisierung der Energieversorgung. Zudem ist IKEM Teil des Forschungsverbunds Netz-Stabil, betreibt die Online-Plattform Lokale Energie – Kraftwerk der Regionen und war an der Erstellung des LAnEG-Anwenderleitfadens beteiligt. Die hier aufgeführten Ergebnisse des Artikels werden in die weitere Projektarbeit des IKEM einfließen.

Kontakt:
Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM)
Simon Schäfer-Stradowsky
Tel.: 030 408 1870-10
E-Mail: simon.schaefer-stradowsky@ikem.de

Verweise:
[1] IKEM et al. (2017): Ausgestaltungsoptionen und -empfehlungen zur finanziellen Beteiligung von Kommunen beim Ausbau von Windenergieanlagen an Land. In: Agora Energiewende (2017): Wie weiter mit dem Ausbau der Windenergie? Zwei Strategievorschläge zur Sicherung der Standortakzeptanz von Onshore Windenergie.

[2] „Distributed energy systems on a neighborhood scale: Reviewing drivers of and barriers to social acceptance“; von Wirth, T., Renewable and Sustainable Energy Reviews (2017), http://dx.doi.org/10.1016/j.rser.2017.09.086

[3] Unter Co-Ownership wird die (finanzielle) Beteiligung von Bürgern an Projekten der Energieversorgung verstanden.

[4] Unter Windstrom wird die Gaserzeugung und anschließende Wiederverstromung aus erneuerbarer Energie verstanden.

Kontakt

Dr. Simon Schäfer-StradowskyQuelle: IKEM/Jule Halsinger

IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

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