Mit dem neu gegründeten Forschungsdirektorium möchte das IKEM seine Arbeit um zusätzliche Perspektiven erweitern seine interdisziplinäre Forschung zu Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende stärken. Im Interview mit den zwei Direktoriumsmitgliedern Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann und Prof. Dr. Jelena Bäumler sprachen wir über ihre Forschungsschwerpunkte, interdisziplinäre Forschungsansätze zur Nachhaltigkeit und ihr Engagement für das IKEM.
Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann ist Lehrstuhlinhaberin und Professorin für Nachhaltigkeitswissenschaft und Angewandte Geografie an der Universität Greifswald. Sie leitet den Masterstudiengang „Nachhaltigkeitsgeographie“ und ihre Forschungsschwerpunkte umfassen klimagerechtes Verhalten sowie sozial-ökologische Transformationen. Sie leitet das Cluster „Nachhaltigkeit“ am Interdisziplinären Forschungszentrum Ostseeraum (IFZO) und weitere Drittmittelprojekte, unter anderem zur biodiversitätsgerechten Landwirtschaft im Ostseeraum.
Prof. Dr. Jelena Bäumler ist Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Völkerrecht, Umwelt- und Klimarecht sowie im internationalen Wirtschaftsrecht. Zudem ist Prof. Dr. Bäumler Direktorin am Europa-Kolleg in Hamburg und leitet den Erasmus Mundus Studiengang International Law of Global Security, Peace and Development. Daneben berät sie regelmäßig Staaten vor internationalen Gerichten.
Welche Ansätze verwenden Sie, um Ihre Studierenden für die Herausforderungen und Chancen im Bereich der Nachhaltigkeit zu sensibilisieren?
Prof. Dr. Stoll-Kleemann: In unserem Masterstudiengang setzen wir stark auf praxisorientierte Ansätze. Ein zentraler Bestandteil sind Exkursionen, bei denen wir konkrete Orte besuchen und die dortigen Nachhaltigkeitsprobleme sowie -potenziale untersuchen. Beispielsweise betrachten wir die Stadtökologie Berlins, die trotz ihrer hohen Artenvielfalt auch mit Problemen wie zunehmender Versiegelung und den Folgen des Klimawandels konfrontiert ist. Zusätzlich besuchen wir innovative Museen wie das Futurium, um Anregungen für weiterführende Studieninhalte zu erhalten. Präsenzvorträge von Praktiker:innen und Expert:innen ergänzen unser Programm, um die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Praxis erlebbar zu machen.
Prof. Dr. Bäumler: An der Fakultät Nachhaltigkeit der Leuphana Universität sind bereits die Studienprogramme interdisziplinär angelegt und im team teaching profitieren die Studierenden von der Perspektive der Lehrenden aus unterschiedlichen Disziplinen. Aber auch in rechtswissenschaftlichen Kursen können wir den Blick erweitern. Im Leuphana Law Lab legen wir einen experimentellen Blick auf das Recht und denken über dessen Weiterentwicklung vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und Herausforderungen wie dem Klimawandel oder Biodiversitätsverlust nach. In einem innovativen Kurs zum internationalen Nachhaltigkeitsrecht vermittle ich Grundlagen der Menschenrechte, des Umweltrechts und des Wirtschaftsvölkerrechts sowie die Integration dieser Rechtsgebiete im Völkerrecht. Durch diese umfassende Herangehensweise möchte ich den Studierenden ein tiefes und breit gefächertes Verständnis von Nachhaltigkeit vermitteln.
Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die interdisziplinäre Zusammenarbeit für die Zukunft der Nachhaltigkeitsforschung und -praxis?
Prof. Dr. Stoll-Kleemann: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist unerlässlich für die Zukunft der Nachhaltigkeitsforschung und -praxis. Nur durch das Zusammenführen verschiedener Fachrichtungen können wir innovative Lösungen entwickeln, die den komplexen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden.
Prof. Dr. Bäumler: Absolut, interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht es uns, ein tieferes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Systemen zu gewinnen. Dies ist entscheidend, um nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen und eine gerechtere Zukunft für alle zu gestalten.
Prof. Dr. Stoll-Kleemann, welche Rolle spielt individuelles Verhalten Ihrer Meinung nach in der sozial-ökologischen Transformation?
Prof. Dr. Stoll-Kleemann: Es besteht ein sehr großer Zusammenhang. Aufgrund des Versagens der Politik in der Klimapolitik und überhaupt beim Steuern einer sozial-ökonomischen Transformation bleibt uns pragmatisch gesehen nicht viel anderes über, als auch auf das individuelle Verhalten als Träger einer Transformation zu setzen. Es gibt viele Synergie-Effekte wie Signalwirkungen für die Politik, die von individuellem Verhalten ausgehen wie z.B. der sich ständig verringernde Konsum von Fleisch und Milchprodukten und die Befürwortung der Einführung eines Tempolimits weiter Teile der Bevölkerung.
Prof. Dr. Bäumler, Sie engagieren sich nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für soziale Teilhabe und Gleichberechtigung. Inwiefern spielen diese sozialen Aspekte in Ihrer aktuellen Forschung eine Rolle?
Die Regulierung der Wertschöpfungsketten sowie die Nachhaltigkeit im Wirtschaftsvölkerrecht haben neben dem Umwelt- und Klimabezug einen sehr starken sozialen Aspekt. Teilhabe und Gleichberechtigung spielen auf nationaler wie auf internationaler Ebene eine zentrale Rolle. Diese sozialen Aspekte sind integraler Bestandteil meiner Forschung und meines Engagements, um sicherzustellen, dass nachhaltige Entwicklung nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gerecht ist.
Welche Schwerpunkte wollen Sie als Mitglieder des Forschungsdirektoriums am IKEM setzen?
Prof. Dr. Stoll-Kleemann: Für mich steht die die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Fokus. Diese möchte ich weiter stärken. Mein Ziel ist es, innovative Forschungsprojekte zu fördern, die effektive und nachhaltige Lösungen für die drängenden Probleme im Bereich Klimaschutz, Energie und Mobilität entwickeln. Besonderes Augenmerk werde ich auf die Integration von Verhaltensforschung und politischen Rahmenbedingungen legen, um praxisnahe Empfehlungen für politische Entscheidungsträger:innen zu erarbeiten.
Prof. Dr. Bäumler: Ich möchte den Blick für die Zusammenhänge schärfen. Die Bereiche und möglichen Implikationen sind so eng miteinander verbunden, dass Maßnahmen und Ansätze immer sehr viele Aspekte gleichzeitig bedenken müssen. Als wissenschaftliche Direktorin am IKEM werde ich daher interdisziplinäre Forschung und Zusammenarbeit fördern, um ganzheitliche und nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen im Bereich Klimaschutz, Energie und Mobilität zu entwickeln.