Interview mit Judith Schäfer-Gendrisch

“Ammoniak kann zur Dekarbonisierung verschiedener Sektoren beitragen und die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft vorantreiben.”

Judith Schäfer-Gendrisch (Photo by Jule Halsinger)

In diesem Interview sprachen wir mit Judith Schäfer-Gendrisch, Geschäftsführerin des IKEM und Expertin für Energierecht, über die Rolle von Ammoniak in der Energiewende und die Potenziale, die dieser vielversprechende Energieträger in der Dekarbonisierung von verschiedenen Sektoren spielen kann. Außerdem ging es um rechtliche und infrastrukturelle Herausforderungen, die mit dem vermehrten Einsatz von Ammoniak verbunden sind, sowie mögliche Lösungsansätze durch einen geeigneten Rechtsrahmen.

Welche Rolle kann Ammoniak in der Energiewende spielen?

Ammoniak kann eine wichtige Rolle in der Energiewende spielen, indem es fossile Brennstoffe ersetzt und so CO2-Emissionen vermeidet. Es kann direkt als Brennstoff in Schiffen, Kraftfahrzeugen, Heizungsanlagen oder Industrieöfen verwendet werden. Eine vielversprechende Option ist auch der Einsatz von Ammoniak in Festoxidbrennstoffzellen (SOFC), zum Beispiel in der Seeschifffahrt, wo eine Elektrifizierung aufgrund der großen Entfernungen schwierig ist.

Zusätzlich hat Ammoniak als Wasserstoffträger großes Potenzial. Es enthält einen hohen Anteil an Wasserstoff und kann als effizienter Energieträger für den Transport von Wasserstoff genutzt werden. Durch sogenannte Ammoniak-Cracker lässt sich der Wasserstoff zurückgewinnen und weiterverwerten. Insgesamt kann Ammoniak zur Dekarbonisierung verschiedener Sektoren beitragen und die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft vorantreiben.

Welche Vorteile hat Ammoniak gegenüber anderen Energieträgern?

Als Treibstoff ist Ammoniak deshalb attraktiv, weil es ohne CO2-Emmissionen verbrannt werden kann. Im Gegensatz zu Alternativen (z. B. Methanol, das ebenfalls als möglicher Treibstoff und H2-Träger gehandelt wird) wird keine treibhausgasneutrale Kohlenstoffquelle benötigt. Ammoniak ist außerdem leichter zu verflüssigen als Wasserstoff und enthält etwa 1,7-mal mehr Wasserstoff pro Kubikmeter als flüssiger Wasserstoff. All das macht den Transport von Ammoniak unkompliziert und effektiv. Nachdem der Wasserstoff in Form von Ammoniak transportiert wurde (z. B. per Seeschiff), kann dieser wieder in reinen Wasserstoff umgewandelt werden und in ein H2-Netz eingespeist werden, er kann aber auch auf der Straße, mit dem Zug und in Pipelines transportiert werden.

Ammoniak wird bereits seit vielen Jahrzehnten im großen Stil weltweit als Grundstoff, insbesondere für die Düngemittelindustrie, gehandelt. Aus diesem Grund gibt es bereits Erfahrung im Umgang und Technologien für die Lagerung und den Transport sind bereits vorhanden und erprobt. Entsprechend bestehen auch schon eine Reihe von Sicherheitsstandards und auf die Stofflichkeit abgestimmte Verfahren. Außerdem gilt Ammoniak aufgrund seiner hohen Selbstentzündungstemperatur, seines niedrigen Kondensationsdrucks und seiner geringeren Gasdichte als Luft als relativ sicher.

Welche Herausforderungen sind mit dem vermehrten Einsatz von Ammoniak verbunden?

Grüner Ammoniak ist global noch selten verfügbar, was hauptsächlich daran liegt, dass grüner Wasserstoff kaum vorhanden ist. In technischer Hinsicht gibt es ebenfalls Herausforderungen, zum Beispiel beim Cracken. Auch bei Ammoniak-Brennstoffzellen besteht noch Entwicklungsbedarf, derzeitig setzen sich allerdings viele Forschungsvorhaben mit diesen Themen auseinander. Sicherheitsbedenken müssen ebenfalls adressiert werden, da sie ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz von Ammoniak als Energieträger sind. In hohen Konzentrationen kann Ammoniak beim Einatmen lebensgefährlich sein. Es ist außerdem als wassergefährdend eingestuft. Leckagen an und in Gewässern können ph-Veränderungen verursachen und die aquatische Umwelt gefährden. Allerdings ist es wichtig zu erwähnen, dass wir als Gesellschaft diese und zum Teil weit größere Gefahren bei fossilen Energieträgern schon länger in Kauf nehmen.

Wie sieht der Rechtsrahmen für Ammoniak derzeit aus und welche Änderungen wären Deiner Meinung nach sinnvoll?

Der Rechtsrahmen für den Einsatz von Ammoniak als Treibstoff und Energieträger befindet sich bereits in einer dynamischen Entwicklung, die auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene fortschreitet. Auf der völkerrechtlichen Ebene hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) mit der Erweiterung des IGF-Codes (Internationaler Sicherheitscode für Schiffe, die Gase oder andere Brennstoffe mit niedrigem Flammpunkt verwenden) und der Entwicklung vorläufiger Richtlinien (Interim Guidelines) einen rechtlichen Rahmen für die Nutzung von Ammoniak in der Seeschifffahrt gesetzt. Diese vorläufigen Richtlinien legen die technischen Anforderungen und Sicherheitsstandards für ammoniakbetriebene Schiffe fest. Darüber hinaus wurden vor kurzem Änderungen am IGCCode (Internationaler Gastankschiff-Code) verabschiedet, die zukünftig erstmals die Verwendung von Ammoniak als Brennstoff auf Tankern ermöglichen, die Ammoniak als Gut befördern. Auf europäischer Ebene wird durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinien RED II und III sowie durch delegierte Rechtsakte der rechtliche Rahmen für grüne Brennstoffe wie Ammoniak weiter konkretisiert. Dazu werden auch Zertifizierungssysteme eingeführt, um die Einhaltung der europäischen Vorgaben zu garantieren und den Handel mit grünem Ammoniak zu erleichtern.

Trotz dieser Fortschritte gibt es weiterhin rechtlichen Handlungsbedarf, zum Beispiel bei der Genehmigung von Ammoniaksyntheseanlagen und der Schaffung von klaren Haftungsregelungen für ammoniakbetriebene Schiffe. Auch im Bereich des Transports und der Infrastruktur für Ammoniak besteht noch Anpassungsbedarf, etwa bei der Handhabung von Gefahrgutvorschriften und den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Bau von Ammoniakleitungen.

Woran arbeitet das IKEM im Projekt TransHyDE – Campfire?

In diesem Projekt untersucht das IKEM rechtliche Rahmenbedingungen und Akzeptanzfragen rund um eine zukünftige Wasserstoff-Infrastruktur. Dabei werden verschiedene Klimaszenarien für grünes Ammoniak berechnet, um Logistikkonzepte zu analysieren und deren Umsetzung zu optimieren. Außerdem erforschen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Ammoniaktransport und die im Projekt entwickelten Technologien. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Akzeptanzforschung, bei der mögliche Probleme und Hemmnisse in der Produktion und Nutzung von grünem Ammoniak untersucht und durch ein innovatives Kommunikationskonzept adressiert werden.

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

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